Psalm 51 Vers 13

„….nimm den Geist deiner Heiligkeit nicht von mir!“

Für die erwähnten Vergehen, Sünden und Übertretungen verwendet der Psalm verschiedene Begriffe. Es wird differenziert zwischen der nach außen wahrnehmbaren Tat (avon) und dem inneren Vorgang (chatat), der ihr vorausgeht und sie begleitet. Dieser letzte Begriff wird meist mit „Sünde“ übersetzt. Sie zeigt sich nicht erst in der fertigen Tat, im Vorfall. ‚Sünde‘ deutet schon die innere Entwicklung an, die Tendenz, das Brüchigwerden von Überzeugungen, das Nicht-Festhalten an Gottes Weisungen, das Sich-Einlassen mit gefährlichen Einflüsterungen. In diesem Bereich, den von außen niemand einsehen kann, hält die Sünde sich auf. Sie ist wie der unsichtbare, unterirdische Wasserlauf, der erst in der Quelle nach außen tritt und wahrgenommen wird – und dann seinen weiteren Weg nimmt.

Sünde zieht ihre Bahnen. Selten bleibt es bei einer einzigen Tat. Immer weitere Bereiche des Menschseins und des Zusammenlebens werden erfaßt. Sie ist wie eine Krankheit, die sich ausbreitet. Die Grundhaltung des Menschen, seine Sündenfähigkeit (cheth), konkretisiert sich immer wieder in entsprechenden Verhaltensweisen.

David hatte sich zweier Verbrechen ( päscha) schuldig gemacht: des Ehebruchs und der Anstiftung zum Totschlag. Für beide hatte er den Tod verdient. Gott aber will nicht den Tod des Sünders. Deshalb schickte Er ihm den Propheten Nathan, um ihn zurechtzuweisen und ihm die Chance der Umkehr einzuräumen. David begriff sofort, was er angerichtet hatte und wie schrecklich die Folgen einer „schwachen Stunde“ waren. Die Zerstörung einer fremden Ehe und den Tod seines treuen Mitkämpfers konnte er nicht ungeschehen machen. Er suchte auch keine entlastenden Erklärungen, die seine Schuld gemindert hätten. Er bekannte sich schuldig, ohne Einschränkungen.

Mehr als die Strafe Gottes fürchtete David, daß er künftig in Unruhe, Angst und Gottesferne würde leben müssen. Von seinem geliebten Gott getrennt zu sein, war für ihn eine unerträgliche Vorstellung. Sein größtes Verlangen war daher die Wiederherstellung der Gottesbeziehung. Er wollte den früheren Zustand der Nähe zu Gott, der Innigkeit des Glaubens, des persönlichen Umgangs mit dem Vater im Himmel wieder haben. Anders könnte er nicht leben.

Da David um den Zustand und die Gefahren seines Herzens wußte, bat er: „Ein reines Herz schaffe mir, Gott, und einen festen Geist erneuere in meinem Inneren. – Verwirf mich nicht von deinem Angesicht, und den Geist deiner Heiligkeit nimm nicht von mir.“

(Vers 12 u.13 wörtlich übersetzt).

Das hier gebrauchte Verb für „schaffen“ (bara) wird nur für Gottes Wirken verwendet. Die Reinigung von Davids Herz konnte nicht durch Willensanstrengung geschehen. Eine völlige Übergabe alles Wollens und Strebens an Gott war die Voraussetzung. Das Neue, Reine war die gottgewirkte Frucht der Hingabe. Nach Davids Selbsteinschätzung hatte er bis dahin kein reines Herz gehabt. Deshalb bittet er darum, daß Gott ein solches in ihm schaffen möge. Welche Demut und welchen Realismus drücken diese Worte aus!

Mit einem erneuerten Herzen durfte er darauf hoffen, in Gottes Gegenwart bleiben zu dürfen, an der ihm so viel lag: „Verwirf mich nicht von deinem Angesicht!“ (Vers 13).

Leben und Dienst der Glaubenszeugen des Alten Bundes sind vom Geist Gottes geprägt. Ohne daß Er sie leitete, ihnen Herz und Ohr öffnete und sie bevollmächtigte, wären sie wirkungslos gewesen. David wußte, daß auch er ohne Gottes Geist ein ganz gewöhnlicher Herrscher wäre. Sein Königsamt verstand er aber als Dienst für Gott und für die Menschen.

Nach der Versündigung und der Buße lag ihm nicht nur daran, sich der Vergebung gewiß sein zu können. Er wollte mehr! David wollte wieder wirken dürfen in der Kraft Gottes.

„Nimm den Geist deiner Heiligkeit nicht von mir!“ (Vers 13). David will damit sagen: ‚Bleibe bei mir; sprich immer wieder zu mir; befähige mich, dein Reden zu vernehmen und deinen Willen zu tun! Berühre mein Herz mit deiner Zartheit, so daß ich nichts anderes begehre, als deinen Willen zu tun!‘

Als Gläubige des Neuen Bundes wissen wir um die Bedeutung des Heiligen Geistes. Jesus kündigte Sein Kommen an (Johannes 14 – 16), und die ersten Christen erfuhren es in mächtiger Weise. Seither rechnen Christen mit der „Kraft aus der Höhe“ (Lukas 24,49).

„Selig sind, die im Herzen rein sind; denn sie werden Gott schauen.“ (Matthäus 5,8). Worum David bat, ist auch nach den Aussagen Jesu die Voraussetzung, Gott sehen zu können.

Ein reines Herz – ein fester, erneuerter Geist – die Nähe des Heiligen Geistes: danach sehnte sich David. – Wir benötigen dasselbe, unabhängig davon, ob wir gerade gesündigt haben oder nicht.

Hans-Joachim Heil